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Albrecht – Haverkamp: Connected Space KHP Eröffnung 19.11.23 Katalogtext Birgit Möckel
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Connected Space | Bettina Albrecht und Reinhard Haverkamp im KunstHaus Potsdam
Die künstlerischen Positionen könnten kaum unterschiedlicher sein: Anlässlich einer
Ausstellung im Kunstverein KunstHaus Potsdam sind die wandlungsfähigen, feinen
„Raumerkundungen“ des Bildhauers Reinhard Haverkamp im kongenialen
Zusammenspiel mit den expressiven, vielschichtigen Werken der nicht minder
experimentierfreudigen Malerin Bettina Albrecht zu erleben. Unter dem Titel
„Connected Space“ finden diese künstlerischen Sprachen und Medien zusammen,
um im Miteinander - im Dialog wie auch in der Kontrastierung - experimenteller
Materialeigenschaften und darin gefundener Impulse, Natur als universelles Thema
und verbindendes Element aufscheinen zu lassen.
Geradezu leitmotivisch lässt sich die im Außenraum himmelwärts strebende, sich im
Wind fortwährend verändernde lineare „Kumulus“-Wolke lesen, die den Blick auf
geschwungene Bogenformen lenkt, die sich in der Luft aufzublähen scheinen, sanft
kreisend zueinander finden und ihren ganz eigenen Rhythmus in den Himmel
zeichnen. Im Innenraum findet dieses luftige „Wolkenspiel“ ein malerisches Pendant.
Unter einem Fenster, mit Blick in die Natur, hat Bettina Albrecht ihre „Wolke“ platziert
– eine im freien linearen Schwung mitten ins Bild gesetzte Pinselspur aus hell
schimmernder Farbmaterie, die vom Bildfond abzuperlen scheint, sich stellenweise
verliert und nach unten öffnet. In kaum greifbarer, zarter Transparenz zeigt sich hier
jener Aggregatzustand von wolkenbildenden Wassertröpfchen – als malerisches
Kondensat und poetisches Echo, ganz in Analogie zu fließenden Wolkenbildern oder
zarten Nebelschwaden, die sich jeder Dauer entziehen.
Bewegung, Dynamik, ein sanftes Schwingen und Pulsieren klingt hier wie in anderen
Werken der Ausstellung an – in den gemalten wie in den kinetischen oder mit feinen
Drähten präzise gehaltenen Spannungsmomenten. In der großformatigen Skulptur
„Raumgeflecht“ von Reinhard Haverkamp sind drei tragende Elemente miteinander
verflochten. Ihre Biegungen folgen der Geometrie von Rundformen, die sich zu luftig
filigranen, freien und dennoch logischen Figurationen fügen, die aus divergierenden
Richtungen ineinander greifen, lineare Begrenzungen aufzuheben scheinen und eine
hierarchiefreie, fließende, durchlässige Einheit schaffen, die aus jedweder
Perspektive erfahren werden will.
Albrecht – Haverkamp: Connected Space KHP Eröffnung 19.11.23 Katalogtext Birgit Möckel
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Diese organisch aus sich heraus gewachsene Form bildet einen beziehungsreichen
Kontrast zu jener aus Kanten und Umrisslinen angelegten Bodenarbeit, einer
geometrisch klar umrissenen „Synthese“ aus Kreisformen und Quadrat, die einen
weiten Spannungsbogen zwischen horizontaler und vertikaler Ausrichtung, einem
nach allen Seiten offenen Quadrat und einem spezifischen Kipppunkt auslotet, der
eigene Koordinaten in den Raum setzt, weithin ausstrahlt, gleichzeitig verortet und
zentriert. Vergleichbar dem kreisförmigen Wellenschlag eines harmonischen
„Strudels“, dessen Rundungen, einmal in Bewegung versetzt, zu schlingern
beginnen, um immer neu ihre Ausgangsbalance und ihren Ruhepunkt zu finden.
Das faszinierende Schauspiel dieser schlichten kinetischen Kreisformen findet in
zwei Gemälden mit pastos fließenden Schattierungen einer Vielzahl an Grautönen
einen kongenialen Bildpartner sowie eine weitere malerische Entsprechung: In den
grün und schwarz verdichteten linearen Strudeln auf Bettina Albrechts großformatiger
Leinwand vermittelt sich ein anderes „Tempo“, so der Titel. Ein schneller Takt, ein so
energisches wie energetisch aufgeladenes Kreisen und Wirbeln, führt in die Tiefe des
Bildraums, hinein in einen schichtenreichen Schaffensprozess.
„Die visuelle Erscheinung des Resultats bestimmt das Empfinden des Betrachters“,
konstatiert Reinhard Haverkamp, um weiter zu erforschen „wie
Bewegungszusammenhänge Assoziationen oder Emotionen hervorrufen können“.
Fragen, die sowohl für seine Skulpturen, als auch für die Bildwelt von Bettina
Albrecht gelten. Ist es in der Malerei die Ausdruckskraft von Materie und Form, sind
es dort die den Materialien innewohnenden Kräfte, die sich der Bildhauer nutzbar
macht. „Die Leichtigkeit, die sich dem Betrachtenden vermittelt“, so Haverkamp,
„verdankt sich nicht nur dem äußerst sparsamen Materialeinsatz. Sie gründet vor
allem darin, die Bedingungen der Schwerkraft zu ihrem Vorteil zu nutzen. Durch
geschicktes Platzieren der Schwerpunkte lassen sich ruhige und schwebende
(horizontale) Pendelbewegungen erreichen und mit variierenden „Bild“-Folgen Zeit
und Raum rhythmisieren. In der Reduktion auf das Notwendige zeigen die
Phänomene ihr Wesen“, bringt der Künstler die Wirkung seiner so spielerischen wie
experimentellen, skulpturalen Raumzeichnungen auf den Punkt.
In den Gemälden vn Bettina Albrecht zeigen sich kraftvolle, pastose Farbströme,
zeichenhaft gesetzte, lineare Begrenzungen und farbige Kürzel, die Strukturen
schaffen und ebenfalls Koordinaten setzen, Orte definieren, Farbfelder besetzen,
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begrenzen oder öffnen, mit diffusen, gesprühten Spuren verunklären oder
Grauschattierungen wie fließende Schatten miteinander verschmelzen lassen,
während raue, rissige Partien die Fragilität einer jeden Malschicht vor Augen führen.
Immer neu öffnet sich das Bild als lebendiger Organismus, als Ereignisraum aus
Dynamik und erstarrter Materie, Experiment und Idee, Poesie und elementarer
Gestaltungskraft. Das Spiel mit Farbe als vielgestaltigem Ausdrucksträger und
Materie zeigt sich grenzenlos. Es bleiben Momentaufnahmen, die Kräfte und
Spannungen, lasierende und körnige Strukturen, Fließen und Starre und vieles mehr
auf der Leinwand festhalten, verbinden, worauf beispielsweise auch der Titel „Hashi“
verweist. Mit kräftigen schwarzen Lineaturen wird hier ein in hellen Tönen
changierendes Feld umfangen, markiert und fokussiert, fast so als wäre es aus der
Vogelperspektive zu betrachten. Aus welchem Blickwinkel auch immer, es bleibt Teil
und Ausschnitt eines weit reichenden Ganzen, das sich im Oeuvre der Künstlerin
zeigt. „Der Raum ist ein Zweifel: Ich muss ihn unaufhörlich abstecken, ihn
bezeichnen; er gehört niemals mir; er wird mir nie gegeben; ich muss ihn erobern“,
zitiert Bettina Albrecht Georges Perec und sein Werk „Träume von Räumen“.
Während ihre Gemälde Natur als wandelbaren Prozess überführen und in Malerei
übersetzen, beziehen die Collagen von Bettina Albrecht Schwarz-Weiß-Fotografien
als wirklichkeitsgetreue Landschaftsausschnitte, Fragmente von Architektur und
Vegetation, direkt in die Komposition ein. „Zeugenschaft“ benennt sie diese Serie.
Wie ein schützendes Mimikry fügen sich Details der Landschaft als fotografische
Ergänzungen in abstrakte Strukturen und sind auf den ersten Blick von den
gezeichneten Linien kaum zu unterscheiden. Es sind versteckte Komplizen eines
Schaffensprozesses, der Nahsicht und Fernsicht von Natur als formbildende,
lebendige Wechselwirkung mit dem Prinzip der Collage verwebt.
Hier wie in allen Werken der Ausstellung zeigt sich, wie sehr alles mit allem
zusammenhängt. Mensch und Natur koexistieren in einem dynamischen ganzheitlich
gedachten Universum, verwoben sind Zeiten und Räume – gesehen mit den Augen
der beiden Künstler.
Birgit Möckel, November 2023

TRACES

KUNSTHALLE LEHNIN, 31.Juli 2022

 

Bettina Albrecht hatte 2018, also schon vor vier Jahren, eine fulminante Einzelausstellung in unserer Galerie. Im Zeitraum zwischen der Ausstellung jetzt und der vorherigen ist viel geschehen:

Die Künstlerin hat zu einer neuen Handschrift gefunden und dies ohne ihre Wurzeln zu kappen.

Waren ihre “Land-schaften” (so der Titel der damaligen Ausstellung) pastos, gleichsam über die Malgründe getriebene, in heftiger Bewegung erstarrte Reliefs, so zeigen sich uns die neuen großformatigen, gezeigten Arbeiten, als von lichter, Farbräumlichkeit durchzogene SPUREN/TRACES, denen man gebannt mit Augen und allen Sinnen folgt.

Wenn wir Bettina Albrechts SPUREN nachgehen, finden wir wenige, bis gar keine an Figürlichkeit oder an deren Abstraktion erinnernde Details.

Und doch: Es sind innere Landschaften, Bilder, Gefühlsräume, die sich vor unseren Augen auftun, uns in ihren Bann ziehen.

Der Farbauftrag variiert von luzide bis deckend und wird mit unterschiedlichsten Werkzeugen aufgetragen. Vom Pinsel über die Bürste, von der Rakel über die Struktur von Schuhsohlen - bis hin zu gegossener, geschleuderter Farbe finden wir mannigfaltige Ausdrucksformen von gestischer “Peinture”.

Wenn wir die Arbeiten “Hashima I” und “Hashima II” betrachten, lesen wir im aus der Mitte genommenen, schier verborgenen Zentrum des Bildes eine Form, die für die Künstlerin eine Reminiszenz an die japanische Insel Hashima, auch Geisterinsel genannt, aufscheinen lässt.

Die tragische Geschichte dieser Insel ist ein Thema, das sie sehr berührt und bewegt.

Apropos bewegt: Wie die Dünung oder Brandung des Meeres umschreibt sie die gefühlte Insel, zieht in tänzerischem Schwung die farbgetränkte, pigmentbestäubte Rakel in den offenen Bildraum. Schwingt ihren Körper aus in einem satten Grün. Farbe fließt, löst sich in Tropfbahnen aus der Fläche, sie fließt in Rinnen, innehalten…! Jetzt kommt Bewegung in die Leinwand, eine Drehung, noch eine, die Leinwand tanzt…, dann liegt der Malgrund rücklings. Nun mehr Farbe, sie streicht, wischt eine geschwungene Fläche, sie schüttet ein Farbbett, das sich symbiotisch mit darunterliegenden Farbräumen vermählt.

Bewegung, Dynamik, Tanz: Subjektivität, Aggression und Poesie materialisieren sich in den neueren Arbeiten, in den “Bild-Räumen” von Bettina Albrecht. Sie sind eine Schule des Sehens, sie suchen nicht das Spektakuläre, sie sind einfach was sie sind:

Farbe, Rhythmus, Struktur, Freiheit.

Alles ist im Bild - man muss nur hinschauen.

Eckhart Haisch

 

Hier abschließend ein Gedicht von Christa Lichtenstern

 

Strömung und Form

Was lebendig bleibt,

ist Rhythmus,

was ersteht:

Gestalt.

Hügelweit

flutet der Raum

hinein und hindurch.

Schwingend in sich

findet Bewegung

Form.

2022 Hashima I, Acryl_ Leinwand, 200x190cm
2022, Hashima II, Acryl/ Leinwand, 200 x 190 cm

Eröffnungsrede von Sabine Techel (Schriftstellerin) anlässlich der Einzelausstellung in der Galerie Bernau 2008.

(...) In Bettina Albrechts Arbeiten erzählen die Farben ihre Geschichte, und zwar, je nachdem, die Geschichte einer Farbe oder die eines Zusammenhangs. Dabei wird Farbe bei Albrecht immer etwas, was nicht eine andere Farbe abbildet, sondern sich selbst formuliert, d.h. im Hegelschen Sinne, der postuliert, dass zum Konkreten der Begriff gehöre, haben wir hier konkrete Farbe.

Etwa eines der Bilder mit unerhörtem Materialeinsatz, ein Bild ohne Titel von 2004, mit 28 - 27 cm ein relativ kleines Format, erzählt die Geschichte der Farbe Weiß zu ihrem vorläufigen Ende. Was wir von Weiß wissen und was es selbst wissen kann, ist ausformuliert. Der massive Farbauftrag korrespondiert mit der gewaltigen Stille, die von dem Bild ausgeht.

2014 Katalogtext zu der Ausstellung in den KUNSTKATEN AHRENSHOOP und den STEINBERGER GALERIEN, WEIKERSHEIM/ LANGENARGEN Bettina Albrecht / Hans Hölzel.

BILDLANDSCHAFTEN

Bettina Albrecht erzeugt mittels Ölfarbschichtungen und teils lasierendem Farbauftrag mit unterschiedlichen Auftragsinstrumenten auf verschiedenen Trägermaterialien Räume, haptische Strukturen, Fragmente und Übergänge.

Die ungegenständlichen, manchmal physisch schweren Arbeiten sind von einer starken dynamischen Rhythmik gekennzeichnet.

Landschaften, oft das Meer, fungieren als eine Inspiration. Der Malprozess, auch als Experiment, führt zu sehr eigenständigen und kraftvollen Bildlandschaften.

Ihre Zeichnungen sind keine Vorstudien im engeren Sinn, sondern jeweils autarke Arbeiten.

Eine zyklenhafte Bearbeitung von Themen in Zeichnung und Malerei, wie z.B. Whiteness Of The Whale (Moby Dick) ist kennzeichnend.

JENS MILDE (Kunsthistoriker & Japanologe)

2004 Öl/Hartfaser 28x27cm
Kleine Berglandschaft 2004
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